Warum DNA-Barcoding?
Neuesten Schätzungen zufolge gibt es auf der Erde ca. ~ 8,7 Millionen Arten von Organismen [1]. Bis heute sind davon lediglich ca. 1,7 Millionen Arten wissenschaftlich beschrieben und katalogisiert [2]. Weltweit warten also derzeit noch ca. 7 Millionen Arten (80% der Arten) auf ihre Entdeckung und Beschreibung! Ein geschulter Experte (Taxonom) kann ca. 1000-2000 Arten verlässlich identifizieren. Das bedeutet, dass zur Erfassung der oben genannten Schätzung der Artenvielfalt mindestens 8700 Experten benötigt würden. Weltweit gibt es aber nur ca. 4000-6000 professionelle Taxonomen [3], deren Kapazitätsgrenzen längst erreicht sind und deren Zahl stetig zurückgeht [4]. Die Taxonomen, selbst gewissermaßen eine vom Aussterben bedrohte ‚Spezies‘, können die morphologische (optische) Artidentifikation zudem nur mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand durchführen.
Das rasante Fortschreiten von Artensterben und Klimawandel begründen die weltweiten Forderungen nach Erhaltung der Biodiversität und machen die Etablierung einer schnellen, zuverlässigen und kosteneffizienten Artidentifikation zu einer globalen Notwendigkeit. Es gilt die Artenvielfalt unseres Planeten so schnell und umfassend wie möglich zu erfassen, damit effektive Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Diese globale Vision soll im Rahmen des GBOL-Projekts (German Barcode of Life) auf deutschlandweiter Ebene verwirklicht werden. GBOL wird die erste umfassende „DNA-Barcoding“-Gendatenbank der Fauna und Flora Deutschlands erstellen und damit ein leistungsfähiges Expertensystem zur schnelleren Artbestimmung entwickeln. Deutschland reiht sich mit der GBOL-Initiative in konzertierte internationale Aktivitäten zur Erfassung der globalen Biodiversität ein [5].
Wird der Taxonom im DNA-Barcode Zeitalter noch gebraucht?
Chancen und Ängste
Der drastische Rückgang von professionellen Taxonomen weltweit und die Reduzierung der Forschungsförderung im Bereich Alpha-Taxonomie haben dazu geführt, dass viele Taxonomen äußerst sensibel gegenüber jeder Veränderung reagieren, die eine verminderte Wertschätzung ihrer Arbeit bedeuten könnte. Die weltweite Ausbreitung der DNA-Barcoding Methode ist eine solche, für manche Taxonomen, „bedrohlich wirkende“ Veränderung. Die Frage, ob die DNA-Barcoding Technologie generell gemieden werden sollte, stellt sich nicht mehr, da sie bereits in 27 Ländern (mit GBOL jetzt auch in Deutschland) mit großem Aufwand etabliert und erfolgreich angewendet wurde. Es bleibt daher die große Chance, die Synergieeffekte von DNA-Barcoding und Taxonomie auch für das GBOL-Projekt zu nutzen, um einen regelrechten Quantensprung in der künftigen Biodiversitätsforschung zu ermöglichen. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, an dieser Stelle auf wichtige potentielle ängste und Argumente mancher Taxonomen aufmerksam zu machen, die Missverständnisse zu beseitigen und Interesse für das enorme Potential zu wecken, welches die neue DNA-Barcoding Technologie für diverse Anwendungsbereiche bietet.
⇒ Lesen Sie mehr zu diesem Thema im folgenden Übersichtsartikel ( PDF) [6].
Quellen:
[1] Mora et al. 2011 ( pdf, englisch)
[2] IUCN Red List Version 2011 ( pdf, englisch)
[4] Bericht „Erosion der Artenkenner“ pdf
[5] siehe auch IBOL Factsheet ( pdf, deutsch)
[6] W. Wägele (2005): „DNA-Taxonomie: Chancen und Ängste“ GfBS Newsletter 15/2005 ( pdf, deutsch)